Manspreading ist in der New Yorker U-Bahn schon lange ein Thema. Das sieht dann so aus. Foto: Andrew Renneisen (dpa)

Würzburg

Manspreading: Was zwei Frauen über breitbeinig sitzende Männer sagen

"Sei ein Ehrenmann und halt deine Beine zam!" – mit diesem Spruch werben die Wiener Verkehrsbetriebe dafür, sich als Mann nicht so breit in öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen. Das verschwendet schließlich Platz und kann zu unangenehmen körperlichen Kontakt führen – zumindest für diejenigen, die neben den breitbeinigen Mitfahrern sitzen. Manspreading nennt sich dieses Phänomen, über das gerade auch in Deutschland heiß diskutiert wird. Wir haben zwei unserer Redakteurinnen gebeten, ihre Gedanken zum Manspreading mit euch zu teilen.

Aus dem Blickwinkel von Maria Lisa:

Nach "Mansplaining" und "Manterrupting" wird endlich auch über "Manspreading" diskutiert und zwar nicht nur in meiner gendersensiblen Filterblase, sondern in einer breiten Öffentlichkeit. Und das zu Recht.

Neben den Verkehrsbetrieben in Madrid und New York haben sich jetzt auch die Wiener Verkehrsbetriebe ein Herz gefasst und den männlichen Breitbeinern im öffentlichen Raum den "Kampf" angesagt. Auf Facebook und Twitter ging der Post dazu schon viral und wie es der Zufall so will, hatte ich gestern mal wieder meine ganz eigene #manspreading-Erfahrung.

Feierabend im ICE. Nach einem langen, arbeitsreichen Tag bin ich sau müde, so wie mein männliches Gegenüber. Er kommt, er sitzt, er spreizt. Kurzum: Manspreading. Ganz selbstverständlich setzt er sich mir breitbeinig gegenüber und nimmt dabei mehr als die Hälfte des zwischen uns bestehenden Raumes ein. Spätestens jetzt ist der Diskretionsabstand zwischen uns dahin und das löst automatisch ein Programm in mir aus: Ich rücke so weit wie möglich in meinem Stuhl zurück, um mir noch das bisschen an Privatsphäre zu bewahren, das mir bleibt. Und das nur, weil mein Gegenüber ganz selbstverständlich den größeren Raum für sich beansprucht.

Wenn kein Zurückweichen mehr geht, sitze ich letztlich, im wahrsten Sinne des Wortes, zwischen seinen Beinen und seien wir ehrlich, das ist alles andere als nice. So saß ich also gestern Abend verkrampft zwischen den Beinen eines fremden Mannes, in der Hoffnung, er würde anhand meines abfälligen Blickes von selbst draufkommen, wie unangenehm mir das ist. In der Situation hätte ich den Typen nur zu gerne auf ein Hinweisschild aufmerksam gemacht, wie das der Wiener Verkehrsbetriebe: „Sei ein Ehrenmann und halt deine Beine zam!“.

Nach meinem ersten Zurückweichen habe ich mich entschieden, in die Offensive zu gehen. Ich habe gnadenlos zurückgefüßelt und mit meinen Knien die seinen getätschelt. Und siehe da, er ist um einige Zentimeter zurückgewichen. Er saß zwar immer noch im Breitbein-Modus da, aber Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut.

Manspreading
In U-Bahn wird ebenfalls dafür geworben, die Beine zusammen zu halten. Foto: Gregor Tholl (dpa)

Aus dem Blickwinkel von Fabienne: 

Als mir der Begriff "Manspreading" das erste Mal unterkam, hatte ich sofort drei Skizzen eines mittelalterlichen Folterinstrumentes im Kopf. Grässlich! Auch nachdem ich einige Blog- und Insta-Posts zu diesem Thema verschlungen habe, biegt sich mein Verstand noch immer in die Form eines Fragezeichens. Einen klaren Gedanken dazu kann ich aber fassen: Männer sollen nicht mehr breitbeinig in der U-Bahn sitzen, weil sich Frauen über den zufälligen Körperkontakt beschweren? Ernsthaft? Ist "Manspreading" der entscheidende Grund, warum sich eine Fahrt in den Öffentlichen nicht wie ein Spa-Besuch anfühlt?

Schnell kamen mir die Blessuren in den Sinn, die ich aufgrund meiner – meist weiblichen – Sitznachbarn bei der letzten Busfahrt zu verzeichnen hatte: 

  • Ein High-Heel-Hackenstoß durch einen temperamentvollen Bein-Schwung, bei dem wohl selbst Heidi Klum vor Neid erblasst wäre. 
  • Ein heftiger Niesanfall, ausgelöst durch einen 50er Jahre Kunstfellmantel, der mir bei jeder kleinen Bewegung dolchähnliche Fasern ins Gesicht schoss.
  • Längst vergessene Traumata der Platzangst, die meine Mitfahrerin mit ihren 23 Oversize-Shopping-Bags, in mir entfesselte.
  • Einen Hörsturz durch eine Bluetooth-Box, dessen Klänge wie die wilden Schreie eines Sumpfmonsters in mein Ohr dröhnten.

Natürlich reden wir zurecht von Anstand. Es sind aber nicht nur breitgespreizte Männerbeine, die unangenehme Gefühle in den Öffentlichen auslösen. Versehentliches Füßeln oder Brust-Grabscher mag niemand. Aber es passiert. Und zwar durch Männer und Frauen gleichermaßen. Schließlich quetschen wir uns wie Sardellen in eine fahrende Mini-Büchse. 

"Manspreading" ist dabei nur die Spitze des Eisberges, der durch zunehmende Rücksichtslosigkeit immer weiter wächst. Ob nun die Wade eines Mannes oder eine achtlos hingestellte Handtasche mir den Zugang zu meinem wohlverdienten Sitzplatz verwehrt –  es ist und bleibt das gleiche Thema.

Man stelle sich doch einmal vor, dass alle Passagiere eines Busses vor dem Einsteigen einen Knigge-Test bestehen müssten. Dann wäre wohl sogar der Platz hinter dem Lenkrad verwaist. Das ist auch nicht durch die Botschaft einer erfindungsreichen Werbeagentur aufzuholen.

Wir sollten uns alle an die Kunstfell-geplagte Nase fassen und uns bewusst machen, dass wir nicht alleine auf dieser Welt sind. Ob Spreader oder nicht. Dann können wir unsere Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln auch in aller Ruhe hinter uns bringen. Wir haben doch schließlich alle ein Ziel: Ankommen.

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