Power of Techno
Zahlreiche Leute besuchen das Mega Hardcore Event "Power of Techno" am Samstag 28.09.24 in der Posthalle in Würzburg. Foto: Silvia Gralla

Würzburg

"Ausländer raus"-Gesänge bei Techno-Party in Würzburg - woher der rassistische Text stammt

Nur 20 Sekunden lang hatte der DJ auf dem Würzburger Technoevent „Power Of Techno“ in der Posthalle das Lied L'Amour Toujours angespielt, doch die Reaktion einzelner Gäste sollte länger nachhallen. Gigi D'Agostinos Hit aus den 90er Jahren ist ein Klassiker auf vielen Partys, erlangte durch eine rassistische Umdichtung des Textes in den vergangenen Monaten in Deutschland aber neue Berühmtheit und ist in der Form verboten. Die Wurzeln für diesen Trend liegen zwar in einem kollektiven gesellschaftlichen Rechtsruck, der markante Text ist jedoch als Symptom dessen schon einige Zeit vor einem prominenten Vorfall auf Sylt zum fragwürdigen Sommerhit vorbestimmt gewesen.

Was singen Rechtsgesinnte auf den Hit L'Amour Toujours?

Der eigentlich im Original ohne Text auskommende Refrain des Songs ist das Ziel der rechtsradikalen Szene: Auf die kurzen Synthesizer-Töne singen sie die Zeilen „Ausländer raus, Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“

Wie lautet der Songtext von L'Amour Toujours im Original?

Im Original endet der Text vor dem Refrain mit den Worten „I'll fly with you“. Hier der erste Teil des Songtextes von Gigi D'Agostino, der ursprünglich genau vom Gegenteil handelt: Liebe, Zugehörigkeit und dem Traum, gemeinsam wegzufliegen. I still believe in your eyes I just don't care what you've done in your life Baby, I'll always be here by your side Don't leave me waiting too long, please, come by I still believe in your eyes There is no choice, I belong to your life Because I, I live to love you someday You'll be my baby and we'll fly away And I'll fly with you I'll fly with you I'll fly with you You You You

Wer erfand den verfassungswidrigen deutschen Alternativtext „Ausländer raus“ für Gigi D'Agostinos Song?

Der Urheber des Trends ist nicht benannt oder bekannt, die Liedzeilen fanden aber zunächst 2023 auf den sozialen Plattformen TikTok, YouTube und Instagram ersten Anklang. Aus der Online-Verbreitung entwickelte sich ein Trend, der bereits Anfang 2024 - also einige Monate vor dem prominentesten Zwischenfall - auf Festen gesungen wurde. Darunter sind seit Januar auch einige Fälle in Bayern dokumentiert.

Wo kam es zu rassistischen Gesängen und Parolen auf das Gigi-Lied außerhalb von Würzburg?

Eine große Anzahl an Fällen ist bisher bekannt, in Bayern waren bereits Gesänge zum Jahresanfang 2024 in Landsberg am Lech, Weiden in der Oberpfalz und Greding im Altmühltal registriert worden. Auch in einem Club in Ebern im Landkreis Haßfurt kam es im April 2024 zu einem derartigen Vorfall, der umgehend der Polizei gemeldet wurde. Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, waren in Greding im Altmühltal auch Mitglieder der „Jungen Alternative“, der Jugendorganisation der AfD beteiligt. Sie besuchten laut Informationen eine Diskothek nach dem AfD-Parteitag am 13. Januar. Schon zu der Zeit machte die rassistische Parole außerhalb der sozialen Netze im Freistaat die Runde. Den vermutlich ersten Fall des Missbrauchs des elektronischen Hits außerhalb sozialer Netzwerke entdeckte das Magazin "Katapult MV", die bereits im November 2023 darüber berichteten, dass der Bürgermeistersohn von Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern bei den rassistischen Zeilen auf einem Erntefest eingestimmt haben soll.

Sylt brachte überregionale Aufmerksamkeit auf die Rechten-Hymne und das anschließende Verbot

Im Mai 2024 kam es zum bis dato bekanntesten gesanglichen Rassismus-Zwischenfall des Jahres, der die rechte Parole bundesweit bekannt machte. Zugrunde lag ein Social-Media-Video, das in der bekannten Bar "Pony" in Kampen auf Sylt offenbar am Pfingstwochenende gefilmt wurde. Der Staatsschutz ermittelte, da nicht nur die rassistischen Zeilen in bester Partylaune gesungen wurden, sondern auch einzelne Personen den Hitlergruß gezeigt haben sollen, während von den übrigen Anwesenden sich keiner daran zu stören schien. Nachdem das Video öffentlich geteilt wurde, verloren mehrere Personen ihre Jobs, die an der Party beteiligt gewesen waren, berichtet unter anderem die Main-Post.

Wie äußerste sich Gigi D'Agostino zur rassistischen Umdichtung?

Der seit Jahren schwer erkrankte DJ und Produzent äußerte sich zunächst nicht, gab dann aber unter anderem der österreichischen Kronen-Zeitung und dem Spiegel ein Interview. Vorausgegangen waren offizielle Verbote des Songs aus Sorge verschiedener Veranstalter, dass der Song für die widerlichen Liedzeilen genutzt werden könne. „Die UEFA hat mein Lied verboten? Das ist eine rassistische Botschaft. Diese Entscheidung ist rassistisch. Ich bin immer noch schockiert, ich kann es nicht glauben. Diese Entscheidung der UEFA ist eine explizite Absage an die Liebe“. Das Problem sei nicht die Musik, es seien perverse, rassistische Gedanken von Menschen (…), die denken würden, dass Menschenrechte nicht für alle gelten. Ein Verbot bewirke für den Italiener aber das Gegenteil. Jüngstes Beispiel für ein Verbot des Liedes: das Münchener Oktoberfest verzichtete auf der Wiesn auf den Problemhit.

Posthallen-Chef Jojo Schulz. Foto: Thomas Obermeier

Wie reagierte die Posthalle auf den jüngsten Zwischenfall 2024 bei „Power of Techno“?

Wie Jojo Schulz, der Chef der Posthalle, auf eine Anfrage der Main-Post mitteilte, habe das Posthallenteam vom Vorfall in der Nacht nichts mitbekommen. Man hätte sonst umgehend Schritte eingeleitet und die Personen der Halle verwiesen. Schulz erklärte weiter, dass es sich bei dem DJ bei der Veranstaltung in Würzburg um einen Spanier handelte, dem die heikle Bedeutung des Liedes in Deutschland nicht bewusst gewesen sei.

Größere gesellschaftliche Diskussionen um Liedtexte: Donaulied, Layla und eine rassistische Umdichtung zu Gigis L'Amour Toujours

Klarer Rassismus in einem eigentlich harmlosen Partyhit der späten 90er, Diskussionen um Sexismus und besungenen sexuellen Missbräuchen in älterem und neuerem deutschen Liedgut. Das Verbot zum italienischen Hit erinnert an zahlreiche Verbote aus den vergangenen Jahren rund um das Donaulied und den Partyhit „Layla“. Das Lied von DJ Robin und Schürze stieß aufgrund seines Textes 2022 auf erhebliche Kritik und löste Kontroversen aus, besonders im Kontext seiner Popularität. Die Kritik betraf insbesondere die Darstellung von Frauen und die verharmlosende Darstellung der Prostitution. Der Refrain des Liedes, der eine Frau namens Layla als eine "schönere, jüngere, geilere Puffmama" beschreibt, wurde als sexistisch und diskriminierend wahrgenommen. Ein weiteres Problem war die Art und Weise, wie das Lied in bestimmten sozialen und politischen Kreisen aufgenommen wurde, insbesondere im Kontext von Diskussionen über Geschlechterrollen, Frauenrechte und die Darstellung von Frauen in den Medien.

Normalisieren Songtexte problematische oder gar gesetzlich verbotene Ansichten?

Die Tatsache, dass der Song auf Volksfesten und in Bierzelten gespielt wurde, wo er mitunter als Stimmungslied fungierte, trug zu der Debatte bei, ob solche Inhalte zur Normalisierung problematischer Ansichten beitragen könnten. Die Debatte um das Lied "Layla" spiegelte größere gesellschaftliche Diskussionen wider, die sich mit Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Respekt und der Darstellung von Frauen in der Unterhaltungsindustrie beschäftigen. Kritiker des Liedes forderten ein Umdenken in Bezug auf die Verantwortung von Künstlern und Medien für die Inhalte, die sie produzieren und verbreiten, und warnten vor den potenziellen Auswirkungen solcher Darstellungen auf gesellschaftliche Einstellungen und Verhaltensnormen.

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