Ein muskulöser Mann gibt sein Bestes, Schweiß tropft an seinem Bizeps herunter, er stöhnt laut. Die Frau trägt ein knappes Höschen, die Frisur sitzt – trotz des Körpereinsatzes. Nein, das ist kein Blick in ein privates Schlafzimmer. DAS passiert in den Turnhöllen dieses Landes. Allgemein auch Fitnessstudios genannt. An und für sich wäre das auch in Ordnung. An solchen Orten tummeln sich seit jeher auch Selbstdarsteller und Poser.
Womöglich lockt die laute, furchtbare Musik solche Menschen an. Womöglich sind sie nur verwirrt auf der Suche nach dem nächsten Rave. Wir sind doch alle aus demselben Grund hier, oder? Wir wollen fit und sportlich werden / bleiben. Wären da nicht die dokumentierten, grauenhaften Gemeinheiten, die zu allem Übel auch noch in die Öffentlichkeit geblasen werden: die Selfies.
Du bist erst sportlich, wenn es jeder gesehen hat
Denn was wäre der ganze sportliche Erfolg ohne den Social-Media-Fame? Du hast keinen trainierten Körper, bis ihn nicht jeder gesehen hat.
Für das #fitspo-Bild braucht man nicht nur den Körper, sondern eben auch das Outfit. Frauen tragen Sporthosen, die es bei mir als Slips unter die Kleidung schaffen. Dazu dann einen Sport-BH. T-Shirt? Im Winter vielleicht. Das Make-up erinnert an einen Clubbesuch. Die Bindehaut freut sich, wenn der ganze Mist mit Schweiß vermischt im Auge landet. Das Smartphone wird gezückt, die Abs angespannt, ein vermeintlich verführerischer Blick aufgelegt, der an eine Lähmung erinnert. Das Bild wird bei Instagram und Co. gepostet und mit Sprüchen wie „No pain no gain“, „Don’t limit your challenges. Challenge your limits“, „It always seems impossible until it’s done“. Da kotzt das Phrasenschwein.
Erst das Selfie, dann der Schweiß
Und DANACH geht es dann zum Sport. Denn sonst wäre man ja zu verschwitzt und würde schließlich so aussehen wie jeder Normalo nach dem Workout. Unvorstellbar! Die Männer machen es übrigens nicht anders. Mit Rasiermessern unter den Achseln wackeln sie über den Dancefloor – ups, durchs Fitti – und lassen die Muckis spielen. Die sind auch kaum zu übersehen in Muscle-Shirts, die bis zum Bauchnabel ausgeschnitten sind und die Nippel freilegen. Findet das wirklich jemand schön?
Wird gerade kein Selfie gemacht, wird gepumpt, was das Gerät aushält. Gewicht: 100 Kilogramm – was sonst? Und wenn das die Ladies vor Ort nicht überzeugt, dann wenigstens die Community. Die bekommen auch nur den aufgeblasenen Oberkörper zu sehen. Nie im Mittelpunkt stehen die klapprigen Salzstanden-Waden, die jeder Chihuahua belächelt – und diese Hündchen sehen bekanntermaßen wie Blaubeermuffins aus.
Haben Selfie-Pumper ein Problem?
Spätestens wenn ich das dritte Duckface neben mir Selfies machen sehe, muss ich mich fragen: Habt Ihr eigentlich einen Schaden? Das könnte sogar tatsächlich der Fall sein. Menschen, die auf Social-Media-Kanälen häufig ihre Workout-Routine und die Fortschritte posten, haben wahrscheinlich einen starken Hang zum Narzissmus. Mit jedem Like wächst der Wunsch nach noch mehr Anerkennung. Das fanden 2015 Wissenschaftler der Brunel University in London heraus.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram anHöre nicht auf Andere die dich belächeln und verspotten. Jahre später werden Sie auf dich zugehen und dich nach Rat fragen, dann kannst du Sie belächeln ? . #mcfit #high5gym #cleverfit #shredded #würzburg #fitspo #myprotein #fitnessmotivation #blogger #fitnessjourney #melbourne #fitnessmodel #sixpack #gym #kölln#fibo #transformation #cologne #düsseldorf #hamburg#berlin #münchen #winter #fibo #fitone
Nun könnte man argumentieren, dass solche Pumper-Selfies andere zum Sport motivieren. Wenn dem so ist: na fein. Doch meine Beobachtung ist eher, dass diese Bilder dem Betrachter einen dumpfen Schlag aufs Ego verpassen. Man selbst sieht bei weitem nicht so aus und vergleicht sich. Selbst wenn solche Bilder jemanden zum Sport treiben, dann demotivieren sie gleichzeitig auf einem ganz neuen Niveau.
Doch eigentlich ist das gar nicht nötig. Mit einer durchschnittlichen Bürotiger-Figur wie meiner muss immerhin niemand stundenlang vor dem Spiegel posieren, die nicht vorhandenen Muskeln anspannen und dabei verführerisch schauen. Trainiert lieber für den Menschen, der wirklich was vom Workout hat: das seid Ihr selbst! Freut Euch, wenn Ihr eine Trainingseinheit geschafft habt, auch wenn Euer Spiegelbild danach an einen Hummer mit Atemproblemen erinnert. Denn davon will wirklich niemand ein Selfie sehen.