Gendergerechte Sprache
Ein kleines Sternchen, das für viel Aufregung sorgt. Sonderzeichen wie der Stern sollen unsere Sprache gendergerechter machen, was manchen Menschen sauer aufstößt. Foto: Alexandr Zhenzhirov (iStockphoto)

WÜRZBURG

Gendergerechte Sprache: Ein Hoch auf die Irritation

(Kommentar) Die phonetische Lücke beim Sprechen, Sternchen, Doppelpunkt oder Binnen-I in Texten – sie verkörpern den sprachlichen Widerstand. Sie sorgen für Irritationen, lassen Aussprache und Lesefluss kurz pausieren. Eine Pause, die Menschen sichtbar macht, die sich jenseits der Mann-Frau-Zuordnung bewegen.

Ein Sternchen „*“ rückt intergeschlechtliche, trans*, agender, geschlechtsfluide Menschen sowie weitere Identitäten unter dem nicht-binären Segel in das Sprach- und Schriftbild. Dorthin, wo bislang nur ein Geschlecht eine Daseinsberechtigung hatte: das generische Maskulinum.

Das generische Maskulinum hat ausgedient

Der heterosexuelle Cis-Mann ist damit nicht länger die menschliche Norm. An seinem Thron des gesellschaftlichen Mittelpunkts wird gerüttelt. Nicht mit dem Ziel, ihn zu stürzen, sondern allen Menschen gleichermaßen einen eigenen Thron anzubieten.

Es ist gut und richtig, wenn der Status Quo hinterfragt wird und ins Wanken gerät. Nur so können sich Standards weiterentwickeln. Andernfalls könntet ihr diesen Text nicht online am PC oder Smartphone auf main-ding.de lesen, wo wir übrigens schon seit Februar 2021 gendern.

Doch ausgerechnet an einem Sternchen „*“ wird sich gerieben bis zum Flächenbrand. Die hitzige Debatte wird nicht immer konstruktiv und sachlich geführt. Empörte Stimmen werfen der Gendersprache vor „diskriminierend“, „unzumutbar“ oder gar „männerfeindlich“ zu sein. Was dabei wirklich unzumutbar ist, ist der dreckige Schlamm, der aus dem Sumpf der Geschmacklosigkeit bevorzugt auf nicht-binäre, trans*Personen oder Frauen geworfen wird.

Ein Verbot für wertschätzenden Umgang?

Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß will sogar ein Verbot von gendergerechter Sprache in sämtlichen staatlichen Institutionen wie Schulen, Universitäten und Behörden. Das heißt, systematische und bewusste Ausgrenzung sind gewollt. Das Nein zum Gendern will Ploß zum Wahlkampfthema machen.

Es gibt auch prominente Stimmen gegen gendergerechte Sprache. H.P. Baxxter bezeichnet das Gendern als „Idiotensprache“, was nicht nur ableistisch, sondern auch selbst-ironisch ist. Schließlich kommt die Aussage von einem Mann, dessen Songtexte aus Lauten statt zusammenhängenden Sätzen bestehen.

Ein Sternchen ist nicht die Lösung, aber auch kein Problem

Natürlich überwindet ein Sternchen weder den Gender-Pay-Gap oder beendet das Patriarchat noch verhilft es ausgegrenzten Menschen zu mehr Rechten oder macht alle Geschlechtsidentitäten gleichberechtigt sichtbar. Doch der Punkt ist: Ohne das Gendern würden wir in diesen Themen ebenso keinen Schritt weiter kommen.

„Gibt es keine wichtigeren Themen, um die wir uns kümmern sollten?“ Die Antwort lautet ganz klar: doch! Das Gendern ist aber auch wichtig. Sprache schafft Realität. Wieso verschwenden wir also so viel Energie darauf, zu diskutieren, ob gendersensible Sprache wirklich sein muss? Notwendig ist sie allemal.

Das Gendern darf missfallen und soll auch stören. Vielen ist im Alltag nämlich gar nicht bewusst, dass andere Menschen nicht dieselben Privilegien genießen wie sie. Sie erleben regelmäßig Diskriminierung, Ausgrenzung und sogar Gewalt. Daran kann Sprache zwar leider nichts ändern. Jedoch kann sie ein Bewusstsein schaffen. Sie kann Nicht-Betroffene aufrütteln. Denn auch Worte können gewaltvoll sein – und damit sind nicht nur Beleidigungen gemeint.

Unsere Sprache formt die Realität

Wenn man nie direkt angesprochen wird, sondern lediglich „mitgemeint“ ist, verletzt das. Wenn ihr nach eurem Lieblingsschauspieler gefragt werden, denkt ihr sicher ganz automatisch an männliche Schauspieler.

Diese Prägung beginnt schon im Kindesalter. Deshalb ist es kein Wunder, dass es vermeintlich „typisch weibliche“ und „typisch männliche“ Berufe gibt. Wird doch ständig von dem Arzt, dem Feuerwehrmann, aber der Kindergärtnerin und der Krankenschwester gesprochen.

Jede*r, die*der eine gendersensible Sprache völlig ablehnt, lehnt eine wertschätzendere Sprache ab. Natürlich ist es weiterhin wichtig, darüber zu diskutieren. Es wird sicher nicht die letzte Veränderung unserer Sprache sein.

Nur wenn wir die Veränderung annehmen, können wir eine gendergerechte Sprache aktiv mitgestalten – und damit hoffentlich einen Beitrag für mehr Gleichberechtigung leisten.

Du möchtest mehr von mainDing.de sehen? Dann folge uns fix auf Facebook, Snapchat oder Instagram!