Kotze hier, Urin da. Was wöchentlich die Situation in der Sanderstraße für Gastronom:innen ist, ist sehr viel weniger appetitlich als die Drinks und das Essen, das die Wirte servieren, um in der beliebten Partymeile Geld zu verdienen. Um auf die Hinterlassenschaften hinzuweisen, hält die Interessengemeinschaft Sanderstraße (IG Sanderstraße) einen liebevoll betitelten „Kotzkalender“ am Leben. Dort wird über Social Media gezeigt, was für nasse, dunkle Flecken durch Urin und zerkaute, halbverdaute Haufen nach einer Nacht bleiben.
Wobei, „bleiben“ stimmt in dem Kontext nur bedingt. Die Gastronom:innen der IG – darunter die Bars und Restaurants Eulenspiegel, Wohnzimmer, Haltestelle, Rock-A-Hula, Hoffnung, Kurt & Komisch, Loma und Tscharlies – sind neben Anwohner:innen selbst aktiv, um die Stadtreiniger zu unterstützen. So sieht man auch immer wieder Stefan Mußmächer, den Betreiber der Kneipe Rock-A-Hula, mit dem Besen arbeiten. „Es geht nicht darum, einfach nur sauberzumachen. Wir wollen Verantwortung übernehmen, da es mir ja auch nicht gefällt, wenn sich Leute so volllaufen lassen. Und wenn wir zwischen acht und neun Uhr morgens losziehen, um unseren Kiez sauberzumachen, kommen wir auch mit den Anwohner:innen in Kontakt“, sagt Mußmächer über seine Einsätze.
Politikum Sanderstraße: Alles wird gut
Die Würzburger Wischers sind eine direkte Verbesserungsmaßnahme der IG Sanderstraße
Für Manuel Bettinger, einen Sprecher der IG Sanderstraße, ist das eine Frage der Ehre: „Wir machen das freiwillig und finanzieren das als Gastronom:innen. Es geht mit den Würzburger Wischers, wie wir uns genannt haben, wirklich darum, etwas in der Straße zu verbessern.“ Man habe sich damals in der Gründungszeit der Interessensgemeinschaft zusammen mit Anwohner:innen die Frage gestellt, was Maßnahmen sind, die in der Feiermeile schnell für Verbesserung sorgen würden. Größere Mülleimer zu organisieren wären schwieriger, Präventionsarbeit und Zupacken beim Saubermachen sei einfacher, so Bettinger. Man habe erst einmal eruiert, wie viele „Hinterlassenschaften“ es gebe, dann Wasserkanister, eine Spraypumpe mit geruchshemmenden Mitteln und Besen besorgt. „Nach 40 Minuten war man da durch, ich hatte das Gefühl, dass es nicht wahnsinnig viel ist. Aber das zu beseitigen, das ist unser Auftrag.“ Mit dem Kotzkalender wolle man die Missstände in der Sanderstraße sichtbar machen – zugleich aber auch zeigen, wo dann nachgearbeitet wird.
Mit Plakaten und Stempeln gegen Wildpinkler:innen
Der Kotzkalender zeigt übrigens nicht nur Erbrochenes, er zeigt auch viele dunkle Flecken auf der Straße, in Nebengassen und Hauseingängen. Ein Beweis, dass Wildpinkler:innen ein Problem sind. Es ist nicht die erste kreative Aktion der IG Sanderstraße: Erst vergangenen Sommer machten die Gastronominnen und Gastronomen mit Unterstützung der Stadt Würzburg auf das ausufernde Problem der Wildpinkelei aufmerksam. Anwohner:innen melden der IG aktiv, wo es wieder unappetitliche Erlebnisse am nächsten Morgen gab. Um viele der Situationen zu vermeiden, habe man mit dem Bündnis von „Miteinander leben & feiern“ eine Präventionskampagne gestartet. Wer irgendwohin pinkle, der muss künftig draußen bleiben. Darauf weisen nicht nur Plakate in der Sanderstraße hin, sondern auch Stempel, die beispielsweise die Clubbesucher:innen des Kurt & Komisch auf den Arm bekommen.
Für die Stadt sei das laut Bettinger eine tolle Sache, von deren Seite gebe es immer wieder Lob für die Gastronom:innen, die die Stadtreiniger unterstützen. Und nicht nur von deren Seite: „Auch die Rückmeldung von Anwohner:innen ist super. Weil wir das machen, jedes Wochenende. Das bestärkt uns, das auch weiterhin zu machen.“