Airport Würzburg
Der Club Airport in der Gattinger Straße in Würzburg bei der "Night of Lights" im Sommer 2020. Foto: Andreas Kneitz

Würzburg

Ex-Airport-Bookerin prangert Zustände in der Techno-Szene an

Umso größer die Liebesgeschichte, umso härter stellt sich manchmal die Ernüchterung ein. Carmen Schrenk kann davon ein Lied singen. Die Unterfränkin ist nicht nur Teil des Roadhouse-Festivals in Geiselwind, sondern gestaltete auch jahrelang als ehemalige Bookerin im Club Airport die Würzburger Techno-Szene mit. Das Roadhouse 2020 sollte ihr letztes Festival werden, „weil ich seit geraumer Zeit keinen Spaß mehr hatte.“ So schreibt es Schrenk in einem öffentlichen Facebookposting, das nationale Aufmerksamkeit erlangt. Denn die Begründung für ihr Aufhören trifft offenbar ins Herz vieler, die sich dieser Szene zugehörig fühlen.

So schreibt sie über den Zeitpunkt, als sich aus ihrer Sicht die Szene in Richtung Kommerzialisierung stark veränderte. Während sie zu Anfangszeiten dem Agenten eines Künstlers ganz „easy“ eine Mail schrieb, Termin und Gage klärte und Kosten über 2000 Euro pro Abend eher selten waren, drehte irgendwann der Wind. „Da wurden die Gagen immer höher, die Sonderwünsche immer länger und Künstler welche man schon oft gebucht hatte, hatten plötzlich kein Interesse mehr, in Würzburg zu spielen.

„Würzburg ist nicht sexy“

Wortwörtlich soll Schrenk mit den Worten „Würzburg ist nicht sexy“ abgespeist worden sein. Lieber hätten die Künstler dann für den vierfachen Preis im Ausland gespielt oder immer größere Exklusivverträge für Gebiete mit großen und finanziell starken Festivals geschlossen. Bedeutet: Ein DJ, der auf dem einen Festival auflegt, darf in einem bestimmten Zeitraum im Umkreis von 100 oder 200 Kilometern nicht mehr spielen.

Der Kampf um die immer gleichen angesagten Künstler wurde schärfer

„Der Kampf um die angesagten DJs wurde immer schärfer, die Gagen gingen jetzt locker in den fünfstelligen Bereich und der Gast kam auch nur noch wenn einer der Top-DJs gebucht war“, prangert Carmen Schrenk an. Dazu wäre es nötig, weitere Headliner auf eine einzige Veranstaltung zu buchen. Wenn man sich das noch irgendwie leisten konnte, sei bei ihr das Gerangel ausgebrochen, wer von den angesagten Künstlern als erster auf dem „blöden Flyer“ genannt wird.

Schrenk berichtet von endlosen Diskussionen und zog sich letztendlich schon während ihrer Schwangerschaft aus dem Booking-Zirkus zurück. Mit dem Roadhouse wollte sie einen Abschluss finden, der nun auf 2021 verlegt wurde.

Vom nationalen Techno-Geschäft fallen gelassen

Während ihrer inaktiven Phase hätte sich kaum einer nach ihr erkundigt, ihr „Telefon klingelte selten.“ Ob sie nochmal einen Act buchen wollte, interessierte in dieser Zeit kaum einen mehr – doch das änderte sich mit Corona, berichtete Schrenk. „Agenturen, welchen man in den Arsch kriechen musste und sich Hochschlafen musste, meldeten sich wieder.“ Mit Hochschlafen bezeichnet Schrenk den in der Szene gängigen Mechanismus, erst viele kleinere Künstler der Agentur buchen zu müssen, um letztendlich den eigentlichen Act zu bekommen, für den man sich interessierte. Nun werde sie also wieder kontaktiert, „ob man nicht eine Idee hat, wo man den Künstler auftreten lassen könnte und das natürlich für einen echt schmalen Taler! Whaaaat?“ Der solidarische Gedanke, dass alle eine große Familie der Szene seien, sei schon seit Jahren dahin.

Ihr Appell: Fokus auf mehr regionale Künstler und den Club

Mit ihrem Posting zu den Missständen der Szene provozierte die Unterfränkin schon rund 200 Kommentare und über 600 Likes auf Facebook. Sie fordert nicht nur Agenturen sondern auch Gäste zum Umdenken auf.

„Vielleicht schaffen es ja die DJs ihren Agenturen etwas auf die Finger zu schauen falls diese sowas wirklich nicht mitbekommen sollten. Vielleicht erinnert man sich in Zukunft länger daran, wer einem als junger aufsteigender Act schon mal die Chance gegeben hat und wo und mit wem man gutes Partys hatte, bevor es nur noch darum geht wer am meistens Scheine auf den Tisch legt.“ Sie selbst hätte in den vergangenen Jahren viel Spaß gehabt und wünscht kleineren Veranstaltern die Chance, „etwas zu reißen, ohne dieses Gefighte“.

Carmen Schrenk fordert, wieder mehr die lokalen DJs und Veranstalter zu unterstützten, anstatt hinter den immer gleichen Namen auf den Mega-Festivals hinterher zu Reisen. Wenn am Ende nicht die Gäste entscheiden, wo sich die Szene hinentwickle, ändere sich am Ende nichts. Denn im Techno sei es wie in jeder anderen Branche auch. Es regiere Angebot und Nachfrage.

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